In einem Entsorgungsbetrieb gab es eine chemische Reaktion unter Bildung eines stechenden Gases: Das war die Ausgangslage für eine Großübung im Waginger Gewerbegebiet beim Fichtenweg. An der Übung beteiligt waren neben der Waginger Feuerwehr die Freiwilligen Feuerwehren aus Gaden, Otting, Petting, Stein an der Traun, Taching am See und Tettenhausen.
Derartige Einsätze sind zwar relativ selten, stellen die Floriansjünger aber in der Realität vor besondere Herausforderungen. Bereits vor über 40 Jahren waren bei der Waginger Feuerwehr Ausrüstungsgegenstände für Gefahrgut- und Mineralölunfälle beschafft worden. Seitdem wurden die Gerätschaften immer wieder erweitert und erneuert. Besonders aufgrund des Gefahrgutverkehrs aus dem bayerischen Chemiedreieck, welcher auf den beiden Staatsstraßen 2104 und 2105 unterwegs ist, und bei Gefahrstoffen von örtlichen Betrieben muss die Feuerwehr dafür gerüstet sein.
Um dieses Szenario zu trainieren, fand am Samstag, den 26. Oktober 2024 diese Übung statt. Aufgrund der hohen Anzahl an vermeintlich Verletzten wurde dabei die in der Fachsprache sogenannte "Erweiterte Stufe III (Dekon-P des Bundes)" angefordert. Diese Spezialausrüstung wird im Landkreis Traunstein von der Feuerwehr Stein an der Traun an den Unglücksort gebracht. Den Personalbedarf an Einsatzstellen festzustellen, das Zeitmanagement der Dekontamination zu ermitteln, sowie die Möglichkeit und Grenzen der Dekonstufe 3 zu testen war dann das Ziel der Übung.
Nachdem Einsatzleiter und 1. Kommandant Michael Schramke die Lage erkundet hatte, war die Rettung einer bewusstlosen Person die Erstmaßnahme. Nach einer sogenannten Sofortdekon wurde diese an den Rettungsdienst übergeben. Ein Atemschutzgeräteträger musste kurz darauf aufgrund eines angenommenen Schwindelanfallsebenfalls über diese Einrichtung den Gefahrenbereich verlassen. Parallel dazu begann der Aufbau von zwei weiteren Dekontaminationsplätzen der sogenannten Standardstufe 2. Zum einen wurde eine alternative Ausführung Dekon-Stelle, bestehend aus mehreren Saugschläuchen und einer Plane, zum anderen das Dekon-Duschzelt der Waginger Feuerwehr afugebaut. An dieses Duschzelt wurde im weiteren Verlauf der Übung dann die "Erweiterte Stufe 3" angebaut. In der Zwischenzeit galt es den Gefahrstoff zu ermitteln. "Mit einer speziellen Messstrategie sei der Stoff als Ammoniak identifiert worden", so Martin Pöllner, Fachberater für Gefahrgut der Waginger Feuerwehr und Ausarbeiter dieser Übung.
Die Kleidung der Gereinigten aus den Dekonplätzen musste luftdicht verpackt, die Personen mussten namentlich erfasst und mit Ersatzkleidung ausgestattet werden. Logistisch war dies durchaus eine Herausforderung, da die Betroffenen natürlich den Gefahrenbereich schnellstmöglich verlassen möchten. Auch Verletzte mussten medizinisch versorgt werden. Einsatzkräfte mussten den Unglücksort ebenfalls zeitnah verlassen. Insgesamt mussten 16 Verletzte und 18 Einsatzkräfte gereinigt und somit von den Schadsteoffen befreit werden.
Bei der Dekontamination gibt es dabei verschiedene Stufen: Stufe 1 wird als "Sofortdekon" bezeichnet, da diese umgehend beim Vorgehen des ersten Trupps in den Gefahrenbereich aufgebaut sein muss. Sie besteht mindestens aus Abspülmöglichkeiten, einer Krankentrage, sowie eines Sanitäts-Rucksacks mit Kleiderschere. Die Stufe 2 (auch als Standardstufe bezeichnet) braucht zusätzlich noch die Möglichkeit, das kontaminierte Abwasser aufzufangen. Die "Erweiterte Stufe 3" besteht dann weiter noch aus einem Auskleidezelt, Duschzelt und Ankleidezelt. Diese Zelte verfügen über eine Stromversorgung, Heizung und einen Warmwasserbereiter, sowie Frisch- und Abwasserbehälter.
Um ein Feedback zu erhalten, wurde der Ablauf von Übungsbeobachtern der Freiwilligen Feuerwehren Traunreut, Übersee und Attel-Reithmehring (Landkreis Rosenheim) akribisch festgehalten.
Bericht: Thomas Pfeffer, FF Waging am See
Fotos: FF Waging am See